05.01.2021 von Andreas Obrecht & Maggie Haab
Der internationale Handel und globalisierte Ernährungssysteme üben Druck auf die ohnehin schon schwindende Biodiversität aus. Wird etwas ressourcenintensiv hergestellt, aber nicht konsumiert, resultiert daraus eine unnötige Umweltbelastung.
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Wir erleben gegenwärtig einen gravierenden Verlust an Biodiversität. Von acht Millionen Tier- und Pflanzenarten ist heute eine Million vom Aussterben bedroht. Auch bei den noch nicht akut bedrohten Arten nehmen einige Bestände erheblich ab. Viele Ökosysteme der Erde haben in den vergangenen Jahrzehnten derart gelitten, dass sie ihre Leistungen für den Menschen, wie etwa saubere Luft, Versorgung mit sauberem Wasser, Bestäubung durch Insekten oder Schutz vor Naturereignissen, nicht mehr vollständig erbringen können.
Die wichtigsten direkten Ursachen für den globalen Verlust an Biodiversität sind gemäss dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) Landnutzungsänderungen, Klimawandel, Übernutzung natürlicher Ressourcen, die Ausbreitung invasiver ortsfremder Arten und die Umweltverschmutzung. Dass immer mehr Flächen landwirtschaftlich genutzt werden, liegt insbesondere an der steigenden Nachfrage nach Fleisch und den dafür verwendeten Futtermitteln. Lebensmittelverschwendung verschärft die Problematik unnötig.
Gemäss der Welternährungsorganisation (FAO) wird jährlich ein Drittel unserer Nahrungsmittel verschwendet und gilt als Food Waste. Entsprechend gross ist der Anteil an der globalen Landoberfläche, welcher unnötigerweise landwirtschaftlich genutzt wird. Die Rechnung ist einfach: Dieser Drittel, welcher in Realität grossmehrheitlich industriell bewirtschaftet wird und der Lebensmittelverschwendung zum Opfer fällt, ging und geht durch Entwaldung, Monokulturen und Trockenlegung von Feuchtgebieten als Habitat für Pflanzen und Tiere verloren.
Die Produktion von Lebensmitteln benötigt nicht nur Flächen, sondern auch Wasser. Eine wertvolle Ressource, die mit dem Wegwerfen von Nahrungsmitteln ebenfalls verschwendet wird. Die dominierende konventionelle Landwirtschaft setzt ausserdem viele Pestizide und Düngemittel ein, welche das Wasser verschmutzen und versalzen. An vielen Stellen führt die intensive Nutzung zum Absenken des Grundwasserpegels. Auch dies wirkt sich negativ auf die Biodiversität aus. In den Ozeanen bedrohen zudem die Überfischung und die grosse Menge an Beifang das Überleben vieler mariner Lebewesen und sensibler Ökosysteme.
Der FAO-Bericht von 2013 zeigt, dass besonders die Verschwendung von Fleisch und Milch verantwortlich für den Druck auf die Landnutzung ist. Dies gilt jedoch nicht für jedes Produkt gleichermassen. Das Fleisch einer mit Gras gefütterten Schweizer Ziege weist praktisch keine Belastung für die Biodiversität aus, während ein Rindersteak aus konventionellem Betrieb, der Soja und Getreide als Futtermittel verwendet, eine hohe Belastung für die Biodiversität darstellt. Die Fleisch- und Milchproduktion nimmt 78 Prozent der Gesamtproduktionsfläche ein, wobei ihr Beitrag an verfügbare Nahrungsmittel lediglich 11 Prozent entspricht. Entsprechend gross ist also der negative Hebel, wenn tierische Produkte verschwendet beziehungsweise nicht konsumiert werden.
«Feed no Food», also keine Fütterung mit Lebensmitteln, lautet die Maxime. Es macht einen grossen Unterschied, ob im Kühlschrank ein Stück Fleisch, das von einem mit viel Kraftfutter gefütterten Rind kommt, oder ein Salat aus dem eigenen Garten vergammelt. Verschwendung ist natürlich beides – und trotzdem: Gewisse Lebensmittel wie Kaffee und Kakao brauchen viel Fläche und können nur in tropischen Regionen angebaut werden, wo die Biodiversität besonders hoch ist. Bei solchen Lebensmitteln hat Food Waste einen entsprechend starken negativen Effekt.
Eine globale Perspektive ist nötig, denn gemäss den Zahlen des Bundesamts für Umwelt (Bafu) entstehen rund 75 Prozent unserer durch Konsum verursachten Umweltbelastung nicht etwa in der Schweiz, sondern im Ausland. Der Selbstversorgungsgrad der Schweiz liegt bei ungefähr 60 Prozent und die Nahrungsmittelimporte haben sich seit 1990 fast verdoppelt.